Baggern in der Stadt: Mit Gefühl und Plan



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Alexandru Tamasdan in seinem Bagger
Baggerfahren ist für Alexandru Tamasdan mehr als ein Beruf. ©Wiener Netze/Stefan Schocher
Ein Bagger-Profi plaudert aus dem Nähkästchen: Wie ist es, wenn man mit der Baggerschaufel eine Starkstromleitung freilegt?

Baggerfahren – ein Traumberuf?

Weiter unten der Rennweg und die Kreuzung Ungargasse, Fasangasse. Da der Bagger, hier die Künette – eine grabenförmige Ausschachtung im Boden. „Jede Künette ist anders“, erklärt Baggerfahrer Alexandru Tamasdan. Und sie haben ihre Tücken, diese Künetten. Denn was aussieht wie ein willkürlich gegrabenes Loch im Boden ist Feinarbeit und Grabkunst – um zu finden, was man finden will. In diesem Fall: Das 10-Kilovolt-Kabel und das 1-Kilovolt-Kabel der Wiener Netze in der Aspangstraße im 3. Bezirk. Die beiden Kabel werden gerade auf einer Länge von 320 Metern von der PORR-Tochter WIBEBA erneuert. In 80 cm bis einem Meter Tiefe liegen die Stromkabel in Wien, meist unter einem Gehsteig. Will man sie ausgraben, ist Feinmotorik an den Bagger-Hebeln gefragt. Und Koordination! Die Kommunikation zwischen dem Baggerfahrer und dem sogenannten Nachputzer muss stimmen. Demjenigen also, der die toten Winkel in der Künette im Blick hat, die der Baggerfahrer in der Kabine nicht sehen kann.

„Man muss mit dem Nachputzer im Reinen sein“, sagt Alexandru Tamasdan. Seit fast sechs Jahren arbeitet er im Team mit demselben Mann. Immerhin geht es hier um viel. Streit ist in einem solchen Tandem lebensgefährlich. „Hier gibt es keinen Platz für Animositäten“, sagt Alexandru Tamasdan.

Baggerfahrer Alexandru Tamasdan
„Jede Künette ist anders“, weißt Alexandru Tamasdan. ©Wiener Netze/Stefan Schocher

Vorsicht: Pläne lesen und genau graben!

Der Bagger ist der größte Feind der Stromleitungen, sagen die Wiener Netze. 70 Prozent der Stromausfälle in Wien gehen auf Einwirkungen von außen zurück: auf Äste, die eine Leitung beschädigen, Blitze, die einschlagen oder eben unsachgemäße Grabungsarbeiten. „Es wird immer schwieriger“, sagt Martin Ivancs, Polier auf der Baustelle in der Aspangstraße, weil: „Da ist immer mehr los unter der Erde“. Einen ganzen Packen an Plänen hat er in der Hand: Die zeigen, wo die unterschiedlichen Stromkabel verlaufen, wo sich die unterirdischen Leitungen der Straßenbahn befinden, wo die Datenkabel sind und wo Wasser-, Gas- und Telefonleitungen.

Fazit: Auf einem ganz normalen Gehsteig in Wien einfach blindlings nach unten zu graben ist ein Himmelfahrtskommando. Und dennoch passiere auch das. „Das sind Koffer“, sagt Alexandru Tamasdan, weil so ein Vorgehen einfach lebensgefährlich ist. Ein 10-Kilovolt-Kabel anzubohren oder mit der Baggerschaufel zu kappen, kann tödlich enden, schildert er. Dabei sind die Verläufe der Leitungen gut dokumentiert. Man muss nur die Einbaupläne ausheben und sich die Mühe machen, sich durch all diese Papiere zu wühlen. Online-Nachschauen, geht mittlerweile auch!

Zitat
Mit der Zeit hat man es im Gefühl, wenn die Baggerschaufel auf Widerstand stößt, dann nichts wie zurück und nur keine Gewalt.
Alexandru Tamasdan Baggerfahrer

Erfahrung, Wissen und Gefühl kann Leben retten

Und dann muss man noch weitere Dinge beachten, wie Alexandru Tamasdan sagt. Seit fast 20 Jahren ist er Baggerfahrer. Er gräbt also nach und nach nach unten, der Nachputzer vor ihm hat genau im Auge, was da zum Vorschein kommt, räumt lockeres Erdreich zur Seite, gibt Signal an die Person im Bagger. Zeigt sich beim Graben zum Beispiel ein Sicherungsband aus Plastik, wird nur mehr händisch geschaufelt. Denn dann sind es nur mehr wenige Zentimeter zu den Kappsteinen über den eigentlichen Kabeln, die in einem Sandbett darunter liegen.

„Mit der Zeit hat man es im Gefühl, wenn die Baggerschaufel auf einen Widerstand stößt, dann nichts wie zurück und nur keine Gewalt“, sagt Alexandru Tamasdan. Denn nebst Leitungen liegen da ja auch andere Sachen unter der Erde. Das können Steine sein. Aber auch noch scharfe Granaten oder Fliegerbomben. Da muss dann der Entminungsdienst kommen. Es gebe aber auch archäologische Funde, zum Beispiel ein Skelett, auf das Tamasdan Alexandru im 16. Bezirk einmal gestoßen ist. Das war dann ein Fall für das Bundesdenkmalamt.

Ein Plastikband, das vor einem Starkstromkabel der Wiener Netze warnt.
Starkstromkabel sind mit einem Plastikband gekennzeichnet. ©Wiener Netze/Stefan Schocher

Wichtig sei es bei dieser Arbeit keine Routine einziehen zu lassen, sagt Alexandru Tamasdan. „Routine ist gefährlich“, bestätigt Polier Martin Ivancs. Denn mit der Routine komme die Fehleranfälligkeit. Alle zwei bis drei Wochen wiederhole er mit dem Team beim Morgenkaffee die Abläufe und Sicherheitsregeln. Und einmal im Jahr gebe es eine tiefergehende betriebsinterne Schulung.

Aber letztlich ist das Baggern halt doch auch ein Bubentraum. Für Alexandru Tamasdan zumindest: „Es ist ja auch etwas Gutes, wenn man ein Stromkabel erneuert und die Leute dann wieder verlässlich Strom haben“.

In der Aspangstraße werden, nachdem die neuen Leitungen in die Künetten gelegt wurden, diese auch wieder zugeschüttet. Auch das mache Spaß, sagt Baggerfahrer Tamasdan – denn nicht nur das Graben ist seine Passion. Und in 4 bis 5 Wochen ist der eine Job erledigt und der nächste Grabungsauftrag wartet.

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