Das Umspannwerk in Wien Favoriten sieht von Außen aus wie ein Dampfschiff. ©Wiener Netze/Manfred Tucherl
Das Umspannwerk Favoriten entzückt Architekturfans und ist ein Magnet für Film- und Fernsehproduktionen.

Der Fernsehstar unter den Umspannwerken

Oscarpreisträger Stefan Ruzowitzky hat im Frühling im Umspannwerk Favoriten Szenen für seinen neuen Film gedreht. Die ORF-Sendereihe „Architektursommer in Wien“ widmet dem Umspannwerk Favoriten ein Porträt (verfügbar bis und stellt es als eines der spannendsten und architektonisch bedeutendsten Bauwerke der Stadt vor. Und auch Architekturkritiker Wojciech Czaja besucht das Gebäude, das ihn seit seiner Kindheit fasziniert.

Auch als echte*r Wiener*in lohnt es sich also, mit offenen Augen durch die Stadt zu spazieren. Denn abgesehen von den erwartbar pompösen Gebäuden an jeder Ecke, blitzen manchmal Überraschungen aus der Flut architektonischer Highlights. An der Südflanke des Wiener Hauptbahnhofs, an der Kreuzung Humboldtgasse/Sonnwendgasse, zum Beispiel: das Umspannwerk Favoriten. Erbaut wurde es Ende der 1920er Jahre – in einem Grätzl mit vielen Industriebetrieben.

Bau des Umspannwerks Favoriten - historische Aufnahmen aus dem Jahr 1929 und 1930.

Ozeandampfer unter Strom

So notwendig, wie das Stromverteilzentrum in diesem Grätzl war, so herausfordernd war der Standort für das Bauprojekt. Denn die heutige Straßenführung zeichnet den Verlauf der damaligen Eisen- und Straßenbahnlinien nach. „Übrig“ als Standort für das Umspannwerk Favoriten blieb ein dreieckiges Grundstück direkt an der Straßenkreuzung. Eingezwängt zwischen Humboldt- und Sonnwendgasse- und eigentlich viel zu klein für die Technik, die es aufnehmen sollte.

Die Grundfläche des Umspannwerkgeländes würde gerade einmal ein Drittel eines Fußballfeldes unterbringen. Deshalb mussten sich die Architekten auch nach oben orientieren – 8 Stockwerke hat das Gebäude heute. Vielleicht war es auch die besondere Herausforderung der Lage, die das Architektenduo Eugen Kastner und Fritz Waage besonders kreativ werden ließ.

Filmlocation für eine Gefängnisszene in Stefan Ruszowizkys Werk "Kristallnacht". ©Wiener Netze/Manfred Tucherl

Die beiden bewiesen mit ihrem Entwurf jedenfalls, dass auch Funktionsbauwerke spannende architektonische Akzente setzen können. Die Analogie zum Dampfschiff zeigt sich beim Umspannwerk Favoriten am besten von der gegenüberliegenden Seite der Straßenkreuzung  mit Blickrichtung in die Humboldtgasse. Die abgerundete Ecke ragt in die Kreuzung und erinnert an einen Schiffsbug, an der rechten Gebäudeseite wächst nach hinten versetzt die Kommandobrücke aus den Obergeschossen des Bauwerks. An mehreren Stellen finden sich kreisrunde Fenster, die Schiffs-Bullaugen nachempfunden sind.

Formgebend war das Umspannwerk Favoriten offenbar auch für die umliegenden Gebäude. Denn bis auf ein einziges nehmen alle weiteren Bauten an der Straßenkreuzung die Rundung des „Schiffsbugs“ auf.

Das Umspannwerk Favoriten liefert Strom für 62.000 Haushalte. ©Wiener Netze/Manfred Tucherl

Moderne Technik in historischer Hülle

Bis heute spielt das Umspannwerk Favoriten eine wichtige Rolle im Wiener Stromnetz. Die historische Gebäudehülle ist dieselbe geblieben. Die technischen Anlagen im Inneren wurden über die Jahrzehnte aber modernisiert. 62.000 Haushalte werden durch das Umspannwerk Favoriten mit Energie versorgt. Und auch die Wiener Linien beziehen über eine Gleichstromanlage Energie für die Öffentlichen Verkehrsmittel in der Umgebung. Die Leistungskapazität wurde seit den 1930er Jahren von ursprünglich 25 MW auf mittlerweile 80 MW mehr als verdreifacht.

Umspannwerke: Verteilerkreise des Stromnetzes

Umspannwerke sind große Verteilerzentren für Strom. Vergleichbar mit den Verteilerkreisen an der Wiener Stadttangente, bringen sie Strom von großen Kabelstraßen auf kleinere und versorgen damit verschiedene Grätzel. Im Wiener Stromnetz gibt es heute 47 Umspannwerke.

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