Luftaufnahme des Wiener Rathaus
Immer wieder landet Wien in internationalen Vergleichen ganz oben. Die Stadt punktet mit hoher Lebensqualität. Warum das kein Zufall ist, erklärt Stadtforscherin Cornelia Dlabaja.

Im Ranking des Economist steht Wien auf Platz eins der Städte mit der weltweit höchsten Lebensqualität. Im Mercer-Ranking belegt Wien – gleich nach Zürich – Platz 2. Und wenn man den „Expat-Insider“ fragt, so liegt Wien auf Platz 3. Die Bundeshauptstadt ist offenbar das Wellness-Ressort unter den Großstädten. Bei all der Sonne, gibt es auch ein paar schattige Flecken: Laut „Expat-Insider” ist Wiens Minus die Unfreundlichkeit der Bewohner*innen.

Die Rankings von Economist und Mercer erstellen ihre Listungen auf Basis von mehr oder weniger objektiven Kriterien, die für alle Bewohner*innen einer Stadt relevant sind: Stabilität, Verwaltung, Gesundheitsversorgung, Bildung, Infrastruktur oder Kultur und Umwelt sowie Kosten für Wohnraum spielen dabei eine Rolle. Das Ranking von „Expat-Insider“ bezieht seine Vergleichswerte aus Befragungen von internationalen Berufsnomaden, also Menschen, die vor allem aus beruflichen Gründen nach Wien gezogen sind. Im Economist Index heißt es dazu: „Die Stadt erhielt perfekte 100 Punkte für Stabilität, Gesundheitswesen, Bildung und Infrastruktur, hat aber noch Raum für Verbesserungen in den Bereichen Kultur und Umwelt.“ Der Grund für Abzüge in diesem Feld, so der Economist: Das Fehlen großer Sportveranstaltungen.

Portrait Stadtforscherin Cornelia Dlabaja
Die Lebensqualität in Wien ist kein glücklicher Zufall, ist Cornelia Dlabaja, Soziologin und promovierte Kulturwissenschaftlerin mit dem Schwerpunkt Stadtforschung, überzeugt. © Luiza Puiu

Die Lebensqualität kommt nicht von irgendwo her

„Viele glauben, dass die Lebensqualität in Wien ein glücklicher Zufall ist“, sagt Cornelia Dlabaja, Soziologin und promovierte Kulturwissenschaftlerin mit dem Schwerpunkt Stadtforschung. Dabei sei Lebensqualität in einer Stadt wie Wien nichts anderes als „Folge einer vorausschauenden Planung und einer Serie von planerischen und politischen Entscheidungen, die eben genau dahin geführt haben.“ Im Fall Wiens ist das eine zumindest mehr als 100 Jahre alte Geschichte an Entscheidungen, wie etwa: Grünräume zu schützen, öffentlichen Verkehr auszubauen, Wohnraum zu schaffen und Infrastruktur auszubauen.

Laut Cornelia Dlabaja braucht es vor allem vier Dinge, damit das Leben in einer Stadt funktioniert: „Eine funktionierende Stadtverwaltung, leistbaren Wohnraum, öffentlichen Raum, der Bedürfnisse der Bewohner*innen abdeckt, sowie Akteure im Sozialraum, die Angebote liefern.“ Das bedeute genauer: „Öffentliche Infrastrukturen – die Polizei zum Beispiel; tragende Infrastruktur; Sozialarbeit; soziale Infrastrukturen in der Stadt mit Angeboten; Bildungsangebote wie Schulen und Kindergärten, Angebote, bei denen sich Bewohner*innen einbringen können; Familienzentren, Nachbarschaftszentren, und so weiter.“ Und das alles müsse möglichst so gestaltet sein, dass es offen ist und diese Angebote auch von vielen Menschen genutzt werden können.

Badeteich mit sonnenbadenden Menschen
Die Seestadt ist eine 15-Minuten-Stadt. Also ein Stadtteil, in dem alle wichtigen Infrastrukturen nahe liegen. © Christian Fürthner

Wiens Bürger*innen mischen mit

Und dann geht es auch darum, wie die Kommunikation zwischen der Stadtverwaltung und Bürger*innen funktioniert – vor allem, wenn es zu Konflikten kommt. Cornelia Dlabaja nennt ein Beispiel: Die Steinhofgründe. „Da wurde seitens der Bürger*innen gegen die Verbauung votiert. Dass die Stadtpolitik das berücksichtigt, das ist das besondere an Wien. Dass Bürgerinitiativen sagen können, wir brauchen die grünen Lungen in der Stadt oder wir brauchen kein Parkhochhaus Yppenplatz“, erklärt Dlabaja.  Das heißt, manchmal wird Grünraum auch geschützt, weil sich soziale Bewegungen dafür einsetzen. Damit das funktioniert, braucht es eine Stadt, die zuhört und Austausch ermöglicht.

Cornelia Dlabaja forscht seit 2014 zur Seestadt – einem Stadtteil, der „wie ein Ufo angelandet ist“, sagt sie. Sie hat dort gelebt und untersucht, wie ein auf das Feld gepflanzter Stadtteil mit Leben erfüllt werden kann. Ihr Fazit: die Seestadt ist eine 15-Minuten-Stadt. Also ein Stadtteil, in dem alle wichtigen Infrastrukturen nahe liegen.

Als Stadtteil ist die Seestadt aber auch grundlegend anders als der Rest Wiens mit seiner gewachsenen, dichten Verbauung. Man könnte diese Gesamt-Wiener-Umstände als stadtplanerische Hürde sehen: Viele Häuser, wenig Grünraum dazwischen. Cornelia Dlabaja aber sieht Wien diesbezüglich als Erfolgsmodell: „Es gibt vielleicht Probleme mit sozialen Ungleichheiten und Segregation, aber im Vergleich zu anderen Städten ist Ghettoisierung kein Problem“, sagt sie. Das liege am sozialen Wohnbau und wie er verteilt ist: 20 Prozent der Wohnungen in Wien sind Gemeindewohnungen. Weitere 20 Prozent sind geförderte Wohnungen. Und Bezirke wie Ottakring werden gezielt aufgewertet.

Waldrand-Wiese mit Parkbank (Steinhofgründe in Wien)
Manchmal wird Grünraum auch geschützt, weil sich soziale Bewegungen dafür einsetzen - wie etwa für die Steinhofgründe. © Stadt Wien/Martin Votava

Der soziale Wohnbau als Erfolgskonzept

„Der geförderte und kommunale Wohnbau in der Stadt ist eine wichtige Säule der Lebensqualität“, sagt die Forscherin. Bereits mit der Gründung der Stadt als Bundesland und der Einhebung der Wohnbausteuer, wurde hier ein wichtiger Grundstein gelegt. Dadurch seien die Miet- und Grundstückspreise gesunken. Und in der Folge ist eben geschaffen worden, was Wien bis heute hervorhebt: Eine vor allem auf der Sozialraum-Ebene sehr gut geplante und verwaltete Stadt. „Wien ist eine sehr kinderfreundliche Stadt – mit einer umfassenden Infrastruktur an öffentlichen Kindergärten und Schulen“, sagt Cornelia Dlabaja: „Das sind Dinge, die sind im Vergleich zu anderen Städten Luxus. Und das durchaus bei all den aktuellen Herausforderungen, die es in diesem Feld gibt.“

Und dann ist da noch etwas: Wien hat extrem früh mit dem großflächigen Ausbau des öffentlichen Verkehrs begonnen. Otto Wagner sei es gewesen, sagt Cornelia Dlabaja, der hier wichtige Verkehrsadern gelegt habe, die noch fast 100 Jahre später weiter ausgebaut werden. Das sind Verkehrsachsen, die in anderen Großstädten erst viel später quer durch bestehenden Baubestand entwickelt werden mussten. „Das gilt nicht nur für die heutige U-Bahn in Wien. Das gilt auch für Straßenbahnlinien“, so Dlabaja.

Das entspringt zu einem Teil auch dem galoppierenden Innovationsgeist einer multikulturellen Weltstadt, die Wien damals war, wie auch den damaligen Dringlichkeiten: Wien war 1910 die weltweit fünftgrößte Stadt mit einer Einwohnerzahl, die bis heute nicht erreicht ist.

U-Bahn Zug der Linie U6 in der Station Alser Straße. Straßenbahn bei der Fahrt unter dem Viadukt der U6-Trasse.
Wien hat extrem früh mit dem großflächigen Ausbau des öffentlichen Verkehrs begonnen. Otto Wagner hat dafür den Grundstein gelegt. © Wiener Linien/Johannes Zinner
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Veranstaltungstipp

Eine interdisziplinäre Konferenz zu den vernetzten Herausforderungen für eine nachhaltige Stadt- und Tourismusentwicklung bringt Stadt- und Tourismusforschung mit Stadtverwaltung, Planung und Praxis im September 2025 in Wien zusammen. Details (in englischer Sprache) gibt es hier. 

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