Geschäftsführerin Ilse Hirt im Gespräch
“Männer haben eine große Verantwortung, sie können Netzwerke öffnen, Barrieren abbauen und Chancen schaffen”, betont Geschäftsführerin Ilse Hirt. © Wiener Netze/Martin Hörmandinger
„Wer heute Verantwortung übernimmt, verändert das Morgen für viele“, sagt Ilse Hirt, Geschäftsführerin der Wiener Netze. Als erste Geschäftsführerin des Unternehmens hat sie eine eindeutige Meinung zum Thema Gleichstellung und teilt diese im Interview mit NetzImpuls.

NetzImpuls: Viele kennen die Wiener Netze nur, wenn der Strom ausfällt – wie erklären Sie auf einer Party, was Sie beruflich machen?

Ilse Hirt: Wenn ich auf einer Party erzähle, was ich mache, kommt oft ein scherzhafter Kommentar wie: „Dann sind Sie schuld, wenn das Licht ausgeht?“ Ich nehme das mit Humor und erkläre, dass wir schuld sind, wenn das Licht wieder angeht! Die Wiener Netze sind dafür verantwortlich, dass Strom, Gas, Fernwärme und Telekommunikation zuverlässig zu den Menschen kommen. Wir sind das Rückgrat der Stadt – ohne uns funktioniert nichts. Und unsere Arbeit liegt mit einer Versorgungssicherheit von 99,99 % im internationalen Spitzenfeld.

NetzImpuls: Was motiviert Sie an Ihrer Arbeit?

Ilse Hirt: Mich motiviert, dass ich Dinge nicht nur am Laufen halten kann, sondern auch verbessern darf. Ich arbeite gerne mit Menschen – bei uns geht es nie nur um Technik. Es geht um Verantwortung, Zusammenarbeit und darum, als Team die Zukunft zu gestalten.

Ilse Hirt
Seit 1. Juli 2024 ist Ilse Hirt Geschäftsführerin der Wiener Netze und verantwortet die Bereiche Kundendienst, Digitalisierung, Securtiy und Meter Management. © WSTW/Ian Ehm

NetzImpuls: Female Leadership ist Ihnen ein wichtiges Anliegen – wie bringen Sie bei den Wiener Netzen mehr Frauen in Führungspositionen?

Ilse Hirt: Ich bin überzeugt: Mehr Frauen in Führung ist kein Zufall, sondern das Ergebnis strategischer Veränderung. Es geht nicht darum, Frauen „hochzuheben“, sondern Hindernisse zu beseitigen, damit der Weg der Frauen genauso eben ist, wie der für Männer. Ich habe zu diesem Thema sogar einmal ChatGPT befragt. Die Antworten haben mich erschreckt, weil sie die Vorurteile unserer Gesellschaft widergespiegelt haben. Wir müssen Strukturen schaffen, die unsichtbare Hürden entfernen: informelle, männliche Netzwerke oder stereotype Erwartungen zum Beispiel. Ich setze mich deshalb für offene Netzwerke und mehr Sichtbarkeit für Frauen ein. Wir müssen uns gegenseitig stärken können. Female Leadership Netzwerke, Peer-Mentoring und Plattformen für die Sichtbarkeit von Frauen sind essenziell, gerade für Frauen, die noch nicht führen. Wirksam sind allerdings nur Programme, die Frauen echte Verantwortung übertragen. Führung braucht Zugang zu Macht, Budgets und Entscheidungen – genau da versuchen wir anzusetzen und Frauen stärker und besser miteinzubeziehen.

Außerdem muss man schon bei der Nachwuchsförderung darauf achten, dass sich Organisationen kulturell wandeln. Wir müssen weg von autoritären Modellen hin zu kooperativer, integrativer Führung. Frauen sollen ihre eigene Führungsidentität entwickeln können, ohne sich an männlich gelesene Normen anpassen zu müssen.

„Die interne Ausbildung ist auch super, um sich mit Kolleg*innen aus anderen Bereichen zu vernetzen“, erzählt Gabriele Hoffman. „Wie machen das die Kabelleger*innen oder andere Abteilungen. Welche Lösungsansätze gibt es in anderen Teams? Das ist schon spannend!“

Dass sie unter den Lehrlingen im Bereich Strom vor 10 Jahren fast die einzige Frau war und auch jetzt unter den 23 Netzmeister*innen der Wiener Netze die einzige Frau ist, will Gabriele Hoffman nicht extra hervorheben. „Es ist egal, ob du ein Mann oder eine Frau bist in diesem Job. Wichtig ist, dass du dich für Technik und deine Arbeit interessierst“, so Hoffman.

NetzImpuls: 2025 gibt es keine einzige weibliche CEO mehr in einem ATX-Unternehmen – was läuft falsch?

Ilse Hirt: Das ist kein Zufall, sondern Ausdruck eines Systems, das weibliche Führung ausbremst. Frauen werden unterschätzt oder übersehen, weil traditionelle Machtstrukturen und stereotype Vorstellungen dominieren. Es fehlt nicht an qualifizierten Frauen – sondern an mutigen Entscheidungen und struktureller Veränderung. Das ist nicht nur ein Gleichstellungsthema, sondern eine Frage der Zukunftsfähigkeit. Wir alle in Führungspositionen müssen jetzt konsequent handeln. Ich denke da zum Beispiel an verbindliche Quoten als Mindestmaß, nicht als Limit. Eine bessere strategische Karriereplanung für Frauen und den effizienteren Ausbau von Förderprogrammen. Es braucht mehr klare Strukturen und eine Führungskultur, die Vielfalt als strategischen Vorteil begreift.

NetzImpuls: Woran scheitern Frauen beim letzten Schritt in die Top-Führungsebene?

Ilse Hirt: Frauen scheitern an den Spielregeln der Macht. Männer haben oft besseren Zugang zu informellen Netzwerken, strategischen Projekten und sie haben Entscheidungsmacht. Frauen sind häufig kritischer mit sich selbst, auch wenn sie qualifizierter sind. Sie bewerben sich erst, wenn sie glauben, alle Bewerbungskriterien zu erfüllen – Männer bewerben sich auch, wenn sie nur 70 % erfüllen. Das ist aber kein individuelles Problem, sondern ein systematisches unserer Gesellschaft.

Geschäftsführerin Ilse _Hirt im Gespräch
"Führung braucht Zugang zu Macht, Budgets und Entscheidungen", sagt Ilse Hirt: "und genau da versuchen wir anzusetzen". ©Wiener Netze/Martin Hörmandinger

NetzImpuls: Wie unterstützen die Wiener Netze Frauen konkret im Alltag?

Ilse Hirt: Wir setzen auf unterschiedliche Maßnahmen. Ein Beispiel dafür sind Kooperationen mit Schulen, HTLs und FHs – etwa beim Töchtertag oder beim KidsDay. Mona Netz, unser role model für Mädchen in der Technik ist ein positives Gegengewicht zu Märchenbildern von Prinzessinnen, die gerettet werden müssen. So brechen wir früh mit der Vorstellung, dass Frauen passiv und Männer aktiv sind. Besonders wichtig sind außerdem auch flexible Arbeitszeitmodelle, Homeoffice, und spezielle Rückkehrprogramme nach der Karenz. Dabei ist es mir auch wichtig, dass dies nicht nur für Frauen gilt. Auch Männer haben diese Möglichkeiten, um ihre Kinder zu betreuen. Kinderbetreuung ist für mich ein Thema für beide Elternteile, es obliegt nicht allein uns Frauen.

NetzImpuls: Welche Verantwortung tragen Männer beim Thema Gleichstellung?

Ilse Hirt: Eine große. Männer in Führungspositionen müssen ihre Netzwerke öffnen, Barrieren abbauen und Chancen schaffen – aktiv, nicht nur mit Lippenbekenntnissen. Gleichstellung passiert nicht von allein.

NetzImpuls: Was möchten Sie der Politik, Gesellschaft und anderen Unternehmen mitgeben, wenn es um die Zukunftsgestaltung und Frauenförderung geht?

Ilse Hirt: Wir müssen raus aus der Komfortzone und echte Veränderung schaffen. Barrierefreie Auswahlverfahren, transparente Karrierepfade, flexible Führungsmodelle – das ist kein „Nice-to-have“, sondern notwendig. Netzwerke, wie z.B. unser firmeninternes Womentoring-Programm können Plattformen für Sichtbarkeit, Austausch und Förderung sein. Am Ende geht es um Haltung: Wer heute Platz macht, schafft Raum für neue Perspektiven. Wer heute Verantwortung übernimmt, verändert das Morgen für viele.

Ilse Hirt

Ilse Hirt, gebürtige Wienerin, startete 1982 als kaufmännischer Lehrling bei den Wiener Linien. Seither war sie in zahlreichen Unternehmen der Wiener Stadtwerke tätig – darunter den Wiener Linien, Finanzierungs-Service, Wipark und TownTown Infra GmbH. Viele Jahre verantwortete sie den Bereich Treasury & Corporate Finance. 2018 übernahm sie die Leitung der Abteilung „Strategie & Organisation“ und gestaltete den konzernweiten Strategieprozess mit Fokus auf Zukunftsthemen. Seit 1. Juli 2024 ist sie Geschäftsführerin der Wiener Netze und verantwortet die Bereiche Kundendienst, Digitalisierung, Securtiy und Meter Management. Ilse Hirt hat zwei Kinder.

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