Alexander Orlik beschreibt den Klimawandel in Zahlen. Denn sie sind es, die für den Klimatologen von der Hohen Warte den Trend sehr eindeutig abbilden. Er rechnet vor: Habe es in den Jahren 1961 bis 1990 in Wien im Schnitt rund 10 Hitzetage pro Jahr gegeben, so seien es zwischen 1991 und 2020 bereits 21 gewesen. Bereinige man den zweiten Beobachtungszeitraum um die relativ kühlen 1990er-Jahre wird es brisant: 2013 bis 2022 gab es im Schnitt bereits 29 Hitzetage pro Jahr – also fast dreimal so viele wie in den 90er Jahren. „Diese Entwicklung ist eindeutig“, sagt Orlik: „Das findet man nicht nur in Wien, das ist überall so. Und in den letzten 1.000 Jahren ist so ein rascher Temperaturunterschied noch nie vorgekommen.“
Steigender Strombedarf braucht starkes Stromnetz
Der Klimawandel ist also real. Und ebenso real herausfordernd sind die notwendigen Auswege aus dieser Misere: Die Energiewende zum Beispiel. „Und die ist elektrisch“, erklärt Florian Ainhirn, Experte für Hochspannungskabeltechnologie bei den Wiener Netzen. Denn auch wenn Energiesparen angesagt sei, steige der Strombedarf, so Ainhirn. Der Grund dafür? „Fossile Energiequellen wie Öl oder Gas werden etwa beim Heizen oder als Treibstoff in Fahrzeugen zunehmend durch Strom ersetzt“, erklärt Florian Ainhirn. Da muss auch die bestehende Infrastruktur nachgeschärft werden. „Die Wiener Netze nehmen für die Energiewende große Ausbauten des Energienetzes vor“, sagt Florian Ainhirn: Rund 300 Millionen Euro werden jedes Jahr investiert. In den kommenden Jahren werden acht neue Umspannwerke gebaut, mehrere hundert Kilometer Kabel verlegt und Trafostationen digitalisiert. „Wir tun auch viel, um das bestehende System bestmöglich zu nutzen“, so Ainhirn. Neue Ladestellen für E-Autos zum Beispiel werden Großteils in die bereits existierende Leitungsinfrastruktur integriert. Das klappt, wenn man nicht alle Elektroautos gleichzeitig lädt, sondern mit intelligenter Ladeinfrastruktur ausstattet: Die Autos laden zeitversetzt und dann, wenn es die Leitung eben zulässt.
Künstliche Intelligenz hilft Stromkabel optimal zu nutzen
Denn Stromleitungen können nicht unbegrenzt Strom leiten. „Je mehr Strom fließt, desto mehr Wärme entsteht im Kabel und desto stärker wird das Kabel belastet. Je höher die Temperatur der Kabel, desto höher ist auch der Stromverlust und letztlich die Gefahr von Kabelisolierungsschäden“, erklärt Ainhirn. Erdkabel können zwar Temperaturen bis zu 90 Grad Celsius vertragen. Aber irgendwann ist eben Schluss. Und da man das Stromnetz nicht über-lasten, aber bestmöglich aus-lasten möchte, ist viel Rechenarbeit notwendig.
Florian Ainhirn forscht bei den Wiener Netzen gerade an einem Programm, das mit künstlicher Intelligenz die Temperaturen von Hochspannungskabeln berechnet. Ainhirn ist also der, der darauf achtet, dass die Leitungen der Wiener Netze trotz höherem Strombedarf nicht überhitzen. „Bei den neuen 380 kV-Kabeln, also unseren Höchstspannungskabeln, haben wir Messsysteme, die die Temperaturen der Kabel in Echtzeit messen“, sagt Ainhirn. Rechnet man diese Temperaturen dann mit Wettervorhersagen und Stromverbrauchsprognosen zusammen, so erhält man ein Modell mit dem Florian Ainhirn arbeitet. Strom wird – entsprechend der Ergebnisse – dann gezielt über weniger ausgelastete Kabel umgeleitet. „Mit diesen Berechnungsmodellen können wir die Komponenten und Leitungen effizienter ausnutzen, also viel Strom übertragen, ohne die Systeme zu überlasten“, sagt Florian Ainhirn. Die Herausforderung dabei ist auch das Wechselspiel aus schwer vorherzusagenden und oft kleinteiligen Energiequellen wie Photovoltaik oder Wind.
Das feuchte Erdreich kühlt die Kabel
Florian Ainhirn hat seine Doktorarbeit über Erwärmungsvorgänge bei Hochspannungskabeln geschrieben und sagt, man müsse auch den Klimawandel mitbedenken. Denn neben der Bodenversiegelung seien auch längere Trockenperioden Faktoren, die sich auf die Wärmeleitfähigkeit des Bodens und damit auf die Stromleitungen auswirken. Florian Ainhirn erläutert: „Je feuchter der Boden, desto besser ist das für die Leitung. Die Kabelwärme kann gut an das Erdreich abgegeben werden.“ Das Wiener Becken habe hier gute Voraussetzungen: Ein hoher Grundwasserspiegel sorge dafür, dass der Boden feucht sei – und die Kabel unter der Erde damit recht gut gekühlt werden. Das größte Problem seien längere Trockenzeiten. „Normalerweise sind die Erdkabel in 80 cm Tiefe im Boden vergraben, das heißt, die Sommerhitze, die wir durch die Erwärmung der Luft spüren, wirkt sich nicht unmittelbar auf die Kabel aus“, so Ainhirn: „Je tiefer die Leitung vergraben ist, desto weniger ist sie von oberflächlichen Ereignissen abhängig. Das alles haben wir mit unseren Messystemen im Blick und können gegebenenfalls gut reagierten.“
Ein weiterer „Trick“ zum Schutz von Stromkabeln ist die Ausstattung von Erdkabeln mit Sensoren, die Erschütterungen anzeigen und so rechtzeitig vor Schäden durch Bagger warnen können. Aber das ist eine andere Geschichte, über die Sie hier mehr erfahren!