Es ist eine Gratwanderung: automatisierte Entscheidungen oder menschliche Intuition? Roman Tobler, Abteilungsleiter Digitale Information und IKT-Governance der Wiener Netze, beschreibt dieses Reibungsfeld so: „Mit IT-Lösungen können wir MitarbeiterInnen entlasten – geben unsere Entscheidungsgewalt jedoch auch an einen Algorithmus ab, den wir dann sehr genau beobachten müssen.“ Algorithmen, IT-Anwendungen, in Nullen und Einsen programmierte Entscheider, das sind Lösungen, die auf der einen Seite die Arbeit erleichtern, die auf der anderen Seite aber auch Entscheidungen für Menschen treffen. „Und in diesem Spannungsfeld den Mittelweg zu finden, das ist die Herausforderung der Zukunft. Aber zugleich auch die Chance, an der praktisch kein Weg vorbeiführt“, ist Tobler überzeugt.
DefinitionDer Begriff umfasst ein so weites wie fast schon undefinierbares Feld. Laut Roman Tobler handelt es sich um digitalisierte Lösungen, die Menschen helfen sollen, aus einer Fülle an Möglichkeiten die richtige Wahl zu treffen. Wesensmerkmal ist bei diesen Programmen, dass sie selbständig mit jeder Entscheidung lernen.
Roman Tobler nennt ein Beispiel: Wir wollen im Supermarkt eine besonders süße und fruchtige Marmelade auswählen und der Computer lernt für sich, welche Marmelade wir gerne kaufen. Das Risiko in all dem: Wir geben einen Teil unserer Autonomie auf und verlassen uns auf die Entscheidung eines Computers. Wobei: nach welchen Kriterien ein Computer entscheidet, welche Marmelade uns also vorgeschlagen wird, nach welchen Anhaltspunkten die Maschine lernt, entscheidet letztlich wieder ein Mensch – ein Programmierer. Der Vorteil: Durch Künstliche Intelligenz – Vorentscheidungen, die für uns getroffen werden – werden Ressourcen frei, die anderswo genutzt werden können. Noch ein Beispiel: Der Chatbot auf der Website der Wiener Netze. Auf die Frage, wie ich meinen Smart Meter online ablesen kann, erhalte ich alle nützlichen Links mit Anleitungen und Hinweisen. Dadurch hat ein Servicemitarbeiter mehr Zeit für tiefergehende Kundenanfragen.
Neue Herausforderungen für das Netz
Die Wiener Netze haben 3.740 Kilometer Freileitungen, 19.820 Kilometer Leitungen liegen unter der Erde. Und dirigiert wird das ganze über 11.000 Trafostationen, die für stabile Spannung sorgen. Hinzu kommt, dass sich das Feld der Einspeiser in das Stromnetz erweitert: Windkraft sowie private Photovoltaikanlagen sind die Herausforderungen wenn es darum geht, das Stromnetz stabil zu halten. Hinzu kommen vermehrt private Speicher und Ladevorrichtungen.
Wien-Wide-Web
Dieses w.w.w., dieses wien-wide-web, stabil zu halten, fußt auf IT-Lösungen. Und dass die Wienerinnen und Wiener pro Jahr im Schnitt gerade einmal 25 Minuten keinen Strom haben, hat in den allermeisten Fällen letztlich ganz analoge Gründe: Denn es sind nach wie vor der gute alte morsche Ast, der auf eine Leitung fällt, oder ein unaufmerksamer Baggerfahrer, der ein Kabel übersieht und so für eine Stromstörung sorgen.
Durch digitale Lösungen allerdings können diese Fehler rascher lokalisiert und teilweise auch binnen Sekunden behoben, oder umgangen werden. Das garantiert Versorgungssicherheit und schont die nicht von einem Schaden betroffene Infrastruktur.
Wie das geht, was möglich ist und was vielleicht noch Zukunftsmusik, das können Wissensdurstige im Rahmen der Ausstellung “Künstliche Intelligenz?” im Technischen Museum Wien erkunden. In der Dauerausstellung ON/OFF ist zudem alles über Strom und die Zukunft der Versorgung damit zu erfahren.
Mehr Stabilität trotz verändertem Umfeld
300 Millionen Euro werden jährlich in das Netz investiert. Und nicht zuletzt vor allem auch in neueste Technologien, um eben rasch herauszufinden, wo das Problem liegt. Blitzer auf Freileitungen oder intelligente Transformatorstationen melden an die Zentrale, wenn es Störungen gibt und sie helfen mit ihren Informationen auch, die Zahl der Ausfälle entlang des gesamten Versorgungsweges zu senken. Und das trotz eines sich rasant verändernden und zunehmend herausfordernden Umfelds.
Mit digitalen Lösungen jedenfalls ist eine effiziente und ökonomische Wartung des gesamten Wiener Netzes möglich – womit nicht zuletzt aber vor allem auch die Versorgungssicherheit optimiert wird. Denn jedes wesentliche Element kann letztlich ausfallen – mit diesen Technologien, aber darf es auch ausfallen, weil es eben ein digitales Sicherheitsnetz gibt.
Roman Tobler sagt dazu: „Das Risiko – bei der Arbeit mit Künstlicher Intelligenz – ist: wir geben einen Teil unserer Autonomie auf und nehmen uns ein Stück weit zurück, um beispielsweise in der Fehlerbehebung schneller zu werden“ Er nennt ein Beispiel: Telefonnummern merken. Mit der Verbreitung der Smartphones ist das praktisch verschwunden. Es bleibt spannend – was kommt. Fest steht: Künstliche Intelligenz wird künftig einen großen Stellenwert einnehmen, daran besteht kein Zweifel.
Sie sehen – die technische Weiterentwicklung der Netze ist für die Energiezukunft von großer Bedeutung. Mehr spannende Details rund um intelligente Stromnetze und welchen Nutzen diese für KundInnen haben, erfahren Sie in Episode 3 des NETZIMPULS Podcast: