Ein ausgezeichneter Lehrling: Fatime Qalandari im Portrait



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#Elektrotechnik#Lehre#Mechatronik
Fatime Qalandari (Lehrling) in der Freileitungsschule bei den Wiener Netzen.
Fatime Qalandari (Lehrling) in der Freileitungsschule bei den Wiener Netzen. © Wiener Stadtwerke/Jolly Schwarz
Es gibt Frauen, die scheinbar alles schaffen. Fatime Qalandari ist so eine. Kürzlich wurde sie im Bundeskanzleramt als Role Model ausgezeichnet.

„Meine Mutter hat immer schon gesagt: Was habe ich bei dir nur falsch gemacht?“, erzählt Fatime Qalandari und lächelt verschmitzt, während sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht streicht. Falsch ist an der jungen Frau sicher nichts. Unkonventionell ist vielleicht eher das Wort der Wahl. Schon als Kind, erzählt sie, habe sie immer genau das gemacht, was sie sich in den Kopf gesetzt hat – ungeachtet davon, was ihr Umfeld über sie denken könnte. Dieses Durchsetzungsvermögen hat sie auch in die Berufswelt mitgenommen. Als Lehrling bei den Wiener Netzen schließt sie bald  ihre Ausbildung im Bereich Elektrotechnik und Mechatronik ab und macht derzeit ihren Führerschein.

Kürzlich wurde sie im Bundeskanzleramt vom Verein Let´s Empower Austria (LEA) zu einem ihrer Role Model für Mädchen und junge Frauen gekürt. Sie selbst konnte nicht ganz verstehen, warum sie, der junge Lehrling, neben renommierten Wissenschaftler*innen und Führungskräften als Vorbild ausgewählt wurde. „Fatime ist eine unglaublich inspirierende und großartige junge Frau, die genau weiß, was sie will“, begründet Barbara Pöll (LEA) die Wahl.

Einen typischen Arbeitstag gibt es nicht

Am liebsten mag Fatime die Trafostationen. Dort wird Mittelspannung in niedere Spannung umgewandelt. „Bei allen theoretischen Sachen bin ich nicht so gut, ich mag einfach lieber die Praxis. Ich mag es draußen zu arbeiten“, sagt sie. Wenn eine alte Anlage ausgetauscht wird, ist sie mit Begeisterung dabei. „Fatime ist hilfsbereit und wissbegierig“, beschreibt sie Christoph Weber, Teamleiter der Lehrlingsausbildung Elektrotechnik/Mechatronik bei den Wiener Netzen. Im Zuge der Lehrlings-Schnuppertage 2018 hat er sie zum ersten Mal kennengelernt. „Da sie als Frau in einem technischen Beruf eine Lehre macht, kennt sie die Herausforderungen und die Vor- und Nachteile“, sagt Weber.

Fatime Qalandari bei der Arbeit bei den Wiener Netzen. (c)Wiener Stadtwerke/Jolly Schwarz
Fatime Qalandari bei der Arbeit bei den Wiener Netzen. (c)Wiener Stadtwerke/Jolly Schwarz

Um sieben Uhr steht Fatime in ihrer Arbeitskleidung vor dem Umspannwerk im neunten Bezirk. Und dann geht es mit zwei Monteuren auch schon los zu einer Netzstation, ein paar Straßen weiter. Im Keller beginnen sie, die alte Anlage zu demontieren, während sie auf die neue Anlage warten. Sie montieren das neue Gerät und fahren wieder ins Umspannwerk. Feierabend. So läuft ein möglicher Arbeitstag für Fatime ab.

Viele Tage sehen aber auch ganz anders aus, denn während ihrer Lehre lernt sie verschiedene Abteilungen kennen, um möglichst viel Praxis zu sammeln. „Am Anfang hatte ich schon ein mulmiges Gefühl, den ganzen Tag mit zwei Männern im Keller zu arbeiten. Aber gleich in der ersten Woche war das ungute Gefühl weg. Jetzt sind wir die besten Freunde“, erzählt Lehrling Fatime über die Kollegen aus dem Umspannwerk in Alsergrund.

„Sie war sehr zuverlässig und fleißig als sie bei uns war. Andere Kollegen sagen auch über sie, dass sie wissbegierig und besonders engagiert ist“, berichtet ihr Kollege Daniel Weinstabl. An ihren Kolleg*innen sei Fatime am wichtigsten, dass sie mit ihnen Spaß haben kann und dass ein gutes Arbeitsklima herrscht. Mit ihren Kolleg*innen fühlt sie sich jetzt wohl – das war aber nicht immer so.

„Manche Kollegen haben mich dumm genannt“

In ihrem ersten Lehrjahr bei einer anderen Firma wurde sie wegen ihrer Sprachkenntnisse diskriminiert. „Da habe ich oft am Klo geweint. Manche Kollegen haben mich dumm genannt. Aber ich bin nicht dumm. Ich habe einfach die Sprache nicht verstanden“, erzählt sie. Fatime hat trotz dieser Erfahrungen nicht aufgegeben. „Wenn ich mal nicht weiterweiß, sage ich mir: Fatime schau, du hast schon so viel geschafft. Heute in einem Jahr ist alles, was dich jetzt bedrückt vorbei“, erzählt sie.

Statt die Lehre hinzuschmeißen hat sie sich eine neue Lehrstelle bei den Wiener Netzen gesucht. „Manchmal machen Kollegen noch Witze über meine Sprache, aber das ist mir egal, denn sonst passt alles“, sagt sie. Ihr Teamleiter, Christoph Weber, ist beeindruckt von Fatimes Art. „Da ich weiß, dass sie einiges in ihrem Leben mitgemacht hat, finde ich es bemerkenswert welch lebensfroher und offener Mensch sie ist“, sagt Weber.

Fatime und ihre Kolleg*innen in der Freileitungsschule. (c)Wiener Stadtwerke / Jolly Schwarz
Fatime und ihre Kolleg*innen in der Freileitungsschule. (c)Wiener Stadtwerke / Jolly Schwarz

Im Jahr 2016 ist die damals 18-jährige Fatime mit ihren Eltern, zwei Schwestern und drei Brüdern aus Afghanistan nach Österreich geflüchtet. Es war nicht immer leicht, sich in der neuen Umgebung mit ganz anderen Traditionen und einer neuen Sprache einzufinden. Kurz nach der Ankunft in Österreich hat sie beschlossen, das Kopftuch abzulegen, was auch zu familiären Konflikten geführt hat. Aber Fatime wäre nicht Fatime, wenn sie nicht ihren Kopf durchsetzt hätte – heute ist das kein Thema mehr. Als einzige der Geschwister ist sie aus dem Elternhaus ausgezogen. „Sogar mein verheirateter Bruder lebt bei Mama“, witzelt sie. In ihrer Wohnung im 6. Bezirk in Wien lebt sie mit ihrer Katze Kitty, die sie von Freundinnen geschenkt bekommen hat. Eine Erinnerung an ihr altes Leben in Afghanistan, wo die Familie elf Katzen hatte.

Ein Vorbild für Mädchen und Frauen

Fatime macht keine halben Sachen – die Entscheidung für eine technische Lehre hat sie sich genau überlegt. Da sie Mathe und Physik immer schon mochte, hat sie zunächst überlegt, die HTL zu besuchen. „Aber dann haben eine Freundin und ich nochmal überlegt und beschlossen, dass eine Lehre viel besser ist. Weil man arbeitet, bekommt Geld und hat gleichzeitig eine Ausbildung“, erklärt sie ihre Entscheidung. Als eine von 13 Frauen macht Fatime eine technische Lehre bei den Wiener Netzen. Als Role Model für den Verein LEA soll Fatime ab sofort Mädchen und junge Frauen dazu ermutigen, Berufswege abseits von Stereotypen einzuschlagen. Dazu wird sie nicht nur für eine Video-Kampagne gefilmt, sondern auch gelegentlich bei Workshops und Vorträgen in Schulen mitwirken.

Ihren weiteren Karriereverlauf hat Fatime klar vor Augen. Nach dem Lehrabschluss noch den Meister dranhängen und vielleicht irgendwann mal studieren. Ihr bisheriger Werdegang lässt keine Zweifel zu: Wenn jemand das schafft, dann sie. Auch Helene Schürz-Andrade von der Personalentwicklung der Wiener Netze ist davon überzeugt: „Fatime macht in einer Zweitsprache eine Ausbildung und das in einer Männerdomäne – sie zeigt uns damit, dass alles möglich ist“.

 

Weitere Informationen zur Lehre bei den Wiener Stadtwerken finden Sie hier.

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