Barrierefrei zum Technik-Traumjob



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Ingenieurin im Rollstuhl bei der Arbeit. ©Anna Stills
Ingenieurin im Rollstuhl bei der Arbeit. ©Anna Stills
Menschen mit Behinderung ergreifen selten technische Berufe. Warum ist das so?

„Wenn ein Elektrotechniker mit Rollstuhl zu einem Kunden fahren soll, um ein Kabel zu verlegen, kann er das nicht allein erledigen. Er muss seinem Arbeitsassistenten, der keine technische Ausbildung hat, Anweisungen geben, wie er das machen soll. Das kann sehr kompliziert werden“, sagt Philipp Hochenburger vom Bundesverband für Menschen mit Behinderung. Hochenburger hat an der FH Technikum Wien studiert und spielt professionell Basketball. Seit seiner Kindheit nutzt er einen Rollstuhl.

Philipp Hochenburger
Philipp Hochenburger

In einem Bürojob sei es für Menschen mit einer Behinderung wesentlich einfacher, Arbeitsanweisungen zu geben, so Hochenburger. Die Arbeitsassistent*innen müssen lediglich einen PC bedienen können und brauchen keine fachlichen Kenntnisse. Das sei ein Grund, warum Menschen mit Behinderung tendenziell Bürojobs statt handwerkliche oder technische Berufe annehmen.

„Für mich wäre das überhaupt nichts, den ganzen Tag im Büro arbeiten“, sagt Hochenburger. Tut er auch nicht. Für seine Tätigkeiten als Berater für Barrierefreiheit im bautechnischen Bereich und verschiedene Sensibilisierungsschulungen zum Thema Barrierefreiheit, etwa für Mitarbeiter*innen des AMS, reist er durch ganz Österreich.

Zitat
Man spricht heutzutage nicht mehr von Behinderten, Blinden oder Rollstuhlfahrer*innen, sondern: Menschen mit Behinderung oder Menschen, die einen Rollstuhl nutzen. So stellt man die Menschen in den Vordergrund und nicht deren Behinderung.
Philipp Hochenburger vom Bundesverband für Menschen mit Behinderung

Es fängt schon bei der Ausbildung an

„Ich selbst habe in der Schule und im Studium die Erfahrung gemacht, dass es sehr stark von den Lehrpersonen abhängt, wie inklusiv eine Ausbildung ist“, erzählt Philipp Hochenburger. In der HTL habe er zu einigen Werkstätten und Geräten mit dem Rollstuhl keinen Zugang gehabt. Ob er bei Lehrausflügen mitfahren konnte, hing davon ab, ob die begleitende Lehrperson bereits bei der Organisation Barrierefreiheit eingeplant hatte. „Obwohl ich sehr sportlich bin, konnte ich kein einziges Mal bei Sportwochen mitfahren. Die Lehrer*innen haben gesagt : An dem Ort waren wir immer schon, das ist lässig, ist halt Pech, dass es dort nicht barrierefrei ist“, erzählt Hochenburger aus seiner HTL-Zeit.

An der FH-Technikum Wien gab es einen Professor, der auch nach mehrmaligem Bitten darauf bestand, im nicht barrierefreien Hörsaal zu unterrichten. „Also sind alle anderen oben gesessen und ich musste von ganz unten zu ihm rauf auf die Kanzel schauen. Nach zehn Minuten hatte ich schon Nackenschmerzen“, erzählt Hochenburger.

Ausgrenzungserfahrungen wie diese sind laut Hochenburger auch ein Grund, dass Menschen mit Behinderung keine technischen Berufe ergreifen. Es müssen daher nicht nur der Zugang zu Ausbildung und Berufen für Menschen mit Behinderung verbessert werden. Auch der generelle Umgang mit Menschen mit Behinderung in der Gesellschaft müsse sich ändern. Diese soziale Komponente sei auch im Arbeitsalltag nicht zu unterschätzen, so der Experte.

Das kann auch David Zlabinger, Jurist bei den Wiener Netzen, bestätigen. Er hat von Geburt an eine Hörbehinderung und berichtet: „Im Arbeitsalltag spüre ich durch meine Hörgeräte kaum einen Unterschied zu meinen Kolleg*innen. Die seit der Corona-Pandemie beliebten Online-Meetings sind für mich sogar ein großer Vorteil. In großen Gesprächsrunden, egal ob in Meetings oder beim Mittagessen in unserer Kantine, kann es für mich schwierig werden, Gesprächspartner*innen zu folgen, die zwei Sessel weiter sitzen“. Das würde manchmal als mangelndes Interesse interpretiert. „Deswegen ist es mir wichtig, offen mit meiner Behinderung umzugehen“, so Zlabinger.

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Auszug aus dem § 3 Behinderteneinstellungsgesetz
Laut § 3 Behinderteneinstellungsgesetz ist eine Behinderung „die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen, die geeignet ist, die Teilhabe am Arbeitsleben zu erschweren“. Als „nicht nur vorübergehend“ gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Angst vor Leistungsverlust

Rund 15-20% der Menschen in Österreich leben mit einer Behinderung. „Mit der Energiewende kommt ganz viel auf uns zu und wir brauchen jeden, der anpacken und mitmachen will. Außerdem: Je diverser wir aufgestellt sind, desto besser arbeiten die Teams“, ist Wiener Netze-Personalentwicklerin Claudia Chaloupka überzeugt. Hinter vorgehaltener Hand gebe es aber noch immer viele Vorurteile gegenüber Arbeitnehmer*innen mit Behinderung, so Philipp Hochenburger. „Was, wenn die Person nicht die volle Arbeitsleistung bringen kann oder mehr Aufmerksamkeit braucht“, fasst er die Angst-Fragen vieler Arbeitgeber*innen zusammen. Diese Vorurteile könnten nur abgebaut werden, wenn Unternehmen Menschen mit Behinderung einstellen, so Chaloupka und ergänzt: „Die Wiener Netze wollen Menschen mit Behinderung gezielt ansprechen, daher: Bewerbt euch!“

Zitat
Wir haben es uns zum Ziel gesetzt, noch besser zu sein, als es uns die Gesetze vorschreiben. Denn Barrierefreiheit bringt uns in allen Lebenslagen etwas!
Thomas Maderbacher Wiener Netze-Geschäftsführer

Barrieren abbauen, von Diversität profitieren

Eine Behinderung kann jeden treffen. Thomas Nemeth ist ein gutes Beispiel dafür. „Ich hatte vor einigen Jahren auf einmal so starke Schmerzen, dass ich mir nicht einmal mehr die Schuhe zubinden konnte“, erzählt der KFZ-Mechaniker. Dem Facharbeiter mussten beide Hüftgelenke getauscht werden. Seitdem ist er als Mensch mit Behinderung eingestuft. Ansehen tut man Nemeth seine Behinderung nicht und seine Arbeitsaufgaben muss er nur wenig einschränken. „Grabungsarbeiten könnte ich nicht mehr machen. Und um irgendwo raufzusteigen brauche ich jetzt eine Leiter“, erzählt Nemeth aus seinem Arbeitsalltag. „Aber sonst bin ich ein Mensch, wie jeder andere auch. Ich bin ja repariert!“, scherzt er. „Nach so einem Eingriff weiter körperlich arbeiten zu können, ist nicht überall auf der Welt selbstverständlich“, betont auch Philipp Hochenburger. Dafür brauche es eine gute medizinische Versorgung.

„Früher warst du mit Behinderung ein Armutschgerl“

„Beim AMS haben sie Rollstuhlfahrer*innen früher sehr häufig zu Unternehmen mit lauter Treppen geschickt. Das kommt heute nicht mehr so oft vor“, erzählt Philipp Hochenburger. Das liege auch daran, dass viele Unternehmen sich in den letzten Jahren verstärkt mit dem Thema Barrierefreiheit auseinandergesetzt hätten. Es gebe aber noch viel Luft nach oben. „Früher warst du als Mensch mit Behinderung ein Armutschgerl: Du wurdest als Arbeitnehmer*in nicht ernst genommen. Das ändert sich jetzt langsam und das ist gut so“, sagt Philipp Hochenburger.

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